FORSCHUNG

Wie stellen wir uns das Ende der Welt vor? Was ist mit den vielen Welten, die bereits geendet haben? Im Angesicht von menschengemachtem Klimawandel, einer zunehmend polarisierten Politik und Pandemien, gewinnt die Idee der Apokalypse in populären und wissenschaftlichen Diskursen an Bedeutung. Apokalyptische Vorstellungen durchdringen künstlerische Praktiken, Narrative in Medien, politische Debatten, sozio-ökonomische Diskurse und spekulative Vorstellungen. Gleichzeitig erzeugen apokalyptische Imaginarien emanzipatorische und kreative Potenziale, die die Möglichkeit pluraler Welten, verkörperter Zukünfte und nichtlinearer Zeitlichkeiten ausloten, um hegemoniale Narrative zu hinterfragen und Ideen für neue Zukünfte zu erproben.

Seit der ursprünglichen Konzeption des CAPAS im Jahr 2019 hat sich eine zentrale Prämisse des Projekts bestätigt: Die Apokalypse gewinnt an Bedeutung – nicht nur als Konzept, Narrativ und Fantasie, sondern vor allem als Erfahrung. Dies haben Ereignisse wie die Corona-Pandemie, extreme Wetterphänomene im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die erneute Bedrohung durch Atomkrieg, das wachsende Bewusstsein für die Möglichkeiten und Gefahren künstlicher Intelligenz, rechtsextreme Bedrohungen für (bereits fragile) demokratische Institutionen sowie die Art und Weise gezeigt, wie diese Ereignisse und Entwicklungen in gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatten wie auch in Kunst und Kultur dargestellt wurden.

Die breite internationale Resonanz auf das CAPAS unterstreicht die einzigartige konzeptuelle und affektive Kraft der Begriffe „Apokalypse" und „Post-Apokalypse" im Vergleich zu semantisch verwandten Konzepten, die zur Beschreibung systemischer Bedrohungen und radikaler Umbrüche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verwendet werden (wie Krise, Kollaps oder Katastrophe). Apokalypse kann sowohl als Fantasie als auch als Szenario fungieren, aber sie kann sich auch auf tatsächlich gelebte Erfahrungen und Bedrohungen beziehen. Sie ruft Bilder und Narrative hervor, die ansonsten unverständlichen Ereignissen oder Erwartungen Bedeutung verleihen. Diese apokalyptischen Phänomene werden in zahlreichen Disziplinen beobachtet und analysiert, was als „apokalyptische Wende" beschrieben werden kann – eine Verschiebung, die einen  mit Fortschrittspraktiken verbundenen Katastrophismus herausfordert.

In der ersten Förderphase (2021-2025) trug das CAPAS zur Entstehung eines Forschungsfeldes bei, das zwar in vielen Disziplinen emergent war, aber eines institutionellen oder theoretischen Rahmens entbehrte. Dieses Forschungsfeld  integriert verschiedene Ansätze und bündelt gemeinsame Fragestellungen, die sonst in verschiedenen Disziplinen behandelt werden. So werden Überschneidungen und gegenseitige Bereicherung sichtbar und ein transdisziplinärer Dialog auf  Grundlage eines gemeinsamen Erkenntnisinteresses gefördert. Die inhärente Interdisziplinarität des Forschungsprogramms wird durch Perspektiven aus Kunst und Aktivismus weiter ausgebaut und ermöglicht den transdisziplinären Zuschnitt des Forschungsfeldes der Apokalyptischen Studien.

Die in den ersten vier Jahren durchgeführte Forschung generierte Fallstudien zu apokalyptischen Bewegungen, existenziellen Risiken und den damit verbundenen Reaktionen und Imaginarien. Diese Forschung bestätigte die Prämisse einer fundamentalen historischen Verfasstheit der Apokalypse – also die Realität vergangener weltendender Ereignisse und den anhaltenden Einfluss apokalyptischer Erfahrungen und Denkweisen aus der Vergangenheit in der Gegenwart.

Die anfängliche Etablierung der Apokalyptischen Studien als eigenständiges Forschungsfeld wurde hauptsächlich durch methodische und konzeptuelle Fortschritte ermöglicht, die aus der  Zusammenarbeit von Fellows und Mitarbeitenden im CAPAS entstanden. Insbesondere durch die gemeinsame Betrachtung der räumlichen, zeitlichen und affektiven Dimensionen der Apokalypse offenbarte die kollaborative Forschung am Kolleg ein oft übersehenes Potenzial: die Fähigkeit apokalyptischer Narrative, Gesellschaften als Ganzes zu prägen und handlungsleitend für Welterzeugung zu wirken. Daher bilden diese fundamentalen Dimensionen die zentralen Parameter des Forschungsprogramms für die zweite Förderphase, die im März 2025 begann.